Beim Wachstumsfeld E-Commerce möchte jeder ein Stück vom Kuchen. Rainer Neuwirth, Geschäftsführer der Regional-Plattform myProduct, erklärt im CASH-Gespräch, warum sich gerade KMUs beim Onlinehandel eventuell auch die Zähne ausbeißen können.
CASH: Herr Neuwirth, der E-Commerce ist im vergangenen Jahr stark gewachsen, genauso wie die Anzahl der Onlineshops. Aber braucht wirklich jeder Produzent einen eigenen Shop?
Rainer Neuwirth: Obwohl es für viele Produzenten verlockend scheint, ist einfach nur einen Onlineshop zu haben meist nicht die Lösung der Probleme. Schließlich ist man bei der Direktvermarktung unabhängiger und man muss nichts an den Handel abgeben. Was dabei aber gerne vergessen wird, ist, dass Onlineshops keine Umsatzgaranten sind. Der Aufwand wird oft unterschätzt, denn um online erfolgreich zu sein, muss man sich ebenso um Logistik, Warenwirtschaft, Kundendservice, Payment, Service, Serverstrukturen, Schnittstellen und Onlinemarketing kümmern. Das kostet Geld, viel Aufwand und kann bei einer falschen Erwartungshaltung zu Frustration führen. Deshalb sollte man als interessierter Produzent ganz klar feststellen, wie groß dieser Aufwand ist, was ein Onlineshop in der Entwicklung und im Eigenbetrieb kostet und ob das Unternehmen die dahinter liegenden Prozesse bewältigen kann.
Ab wann zahlt es sich aus, eine eigene Vertriebsschiene online aufzubauen?
Neben der Bekanntheit der Marke gibt es hier einige branchenspezifische Fragen zu klären. Wie gut ist mein Produkt lieferbar und wie gut lässt es sich vom Kunden online beurteilen? Der Klappentext von einem Buch ist einfach online lesbar und das Produkt damit bewertbar. Ebenso ist der Versand relativ unkompliziert. Lebensmittel hingegen müssen vielleicht gekühlt werden und Frischeware kann nicht begutachtet werden. Dazu kommt die enorme Filialdichte im LEH, darum macht das Onlinegeschäft auch nur 1,5 bis 2,0 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Bei manchen Unternehmen ist es sinnvoller, zuvor in andere Aspekte des digitalen Auftretens zu investieren. Das beste Angebot bringt nichts, wenn Kunden es im Internet nicht finden. Daher ist die Digitalisierung der eigenen Angebote und das professionalisieren des Onlineauftretens erstmal wichtiger, als gleich einen Onlineshop zu entwickeln.
Aber hier gibt es sicher Unterschiede abhängig von den hergestellten Produkten, oder?
Absolut. Besonders High-Involvement-Produkte mit guten Margen, bei welchen der Konsument keinen gesammelten Warenkorb erwartet, bieten sich hier an. Low-Involvement-Produkte mit geringen Margen tun sich hier deutlich schwerer. Oder würden Sie Klopapier direkt beim Hersteller kaufen? Daher bieten sich diese Produkte eher für große Warenkörbe an, wo wiederum der Handel im Vorteil ist. Dieser gestaltet die Logistikprozesse wesentlich schlanker, als es ein einzelner Produzent mit Direktvertrieb könnte. Daher zahlt es sich – in diesem Fall aus, dem Handel einen Teil vom Umsatz zu überlassen, damit man nicht die komplette Infrastruktur selbst bereitstellen muss, das wäre unwirtschaftlich.