Mit einer Vielfalt an Ungerechtigkeiten ist der österreichische Handel konfrontiert, daher ist der Handelsverband als Sprecher der heimischen Händler ordentlich ausgelastet. CASH sprach mit Geschäftsführer Ing. Mag. Rainer Will über Online- und stationären Handel, über den Fairnesskatalog, über die einzurichtende Ombudsstelle und über die umstrittene Karfreitagslösung.
Sehen sie sich eigentlich als so etwas wie die schnellere Wirtschaftskammer?Wir haben jedenfalls das Ohr an der Praxis, was die Händler sehr zu schätzen wissen. Unsere Mitgliedsunternehmen decken immerhin 70 Prozent des heimischen Handels ab. Aber wir haben eine andere Rolle, da wir ausschließlich den Handel vertreten, die Wirtschaftskammer jedoch auch die Interessen von Gewerbe und Industrie zu wahren hat. Und dann kommt halt noch dazu, dass wir mit allen Bundesministerien, egal welcher Partei sie angehören, als überparteilicher Verband einen Austausch auf direktem Wege pflegen können. Aber in vielen Bereichen arbeiten wir gut mit der WKO zusammen, wie zum Beispiel mit dem Präsidium oder der Außenwirtschaft mit gemeinsamen Initiativen.
Was sehen Sie persönlich eigentlich als die größten Erfolge des Handelsverbands?Der größte Erfolg ist der große Zustrom an neuen Mitgliedern, die unseren täglichen Einsatz für den Handel schätzen und die Loyalität der Händler zu „ihrem“ Bundesverband. Wir haben zum Beispiel erstmals in der Geschichte des Lebensmittelhandels alle relevanten Lebensmittelhändler zusammengebracht, um gemeinsam mit der Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger und der Bundeswettbewerbsbehörde den Fairnesskatalog zu unterschreiben inklusive Selbstverpflichtung zur Einhaltung. Wir haben es geschafft, dass die gesamte Wertschöpfungskette im Lebensmittelbereich noch enger zusammenarbeitet und die Bundesregierung richtet derzeit gerade eine von uns initiierte Ombudsstelle als außergerichtliche Streitstelle ein – zusätzlich zur Whistleblower-Homepage der Bundeswettbewerbsbehörde. Wir waren die erste Organisation, die sich in Österreich für eine E-Commerce Lehre eingesetzt hat, die sich nun bewährt und haben die erste Wissensplattform für KMU gestartet. Das bedingt logischerweise, dass wir nicht nur Freunde haben.
Sie haderten ja auch mit den UTP-Richtlinien der EU. Wie ist da der Stand der Dinge aus Ihrer Sicht?Ursprünglich sollten ja primär die kleineren Produzenten mit einem maximalen Umsatzvolumen von 50 Millionen Euro vor den so genannten Machenschaften des Handels geschützt werden, nun hat man aber diese Grenze auf das Siebenfache erhöht, also werden auch jene Großkonzerne geschützt, die 350 Millionen Euro Umsatz tätigen. Das finden wir keineswegs gerecht.
Im Mai tritt die EU-Verordnung zur Rückverfolgbarkeit von Tabakwaren in Kraft. Wie kann sich da der Handelsverband einbringen?Das muss die Tabakindustrie lösen. Generell nehmen wir wahr, dass die EU vielfach Regelungen vorschreibt, die für mittelständische Unternehmen zur großen Belastungsprobe werden. Herkunftskennzeichnung und Rückverfolgbarkeit werden immer wichtiger, aber die Frage nach der entstehenden Bürokratie sollte durch eine Wirkungsfolgenabschätzung davor gelöst werden. 50-stellige Codes können zur Markteintrittsbarriere werden, wenn länderspezifische Auszeichnungsregeln dies verunmöglichen.
Großes Reizthema Amazon. Was werfen Sie Amazon konkret vor?Die Doppelrolle als Onlinehändler und als Marktplatz ist problematisch. Amazon werfen wir mutmaßlich wettbewerbswidriges Verhalten in verschiedenen Bereichen vor, welches viele jener Händler, die den Marktplatz benutzen, unfair behandelt.
Inwiefern?Es sind die Geschäftsbedingungen, die oftmals nicht im Detail gelesen werden. Es beginnt schon einmal damit, dass das Luxemburger Recht gilt, das heißt, sämtliche Klagen und Beschwerden müssen in Luxemburg durchgeführt werden. Händler können laut dieser Geschäftsbedingungen jederzeit und ohne Angabe von Gründen mit sofortiger Wirkung gesperrt werden, die erwirtschafteten Umsätze werden oftmals eingefroren und die Kommunikationsmittel gekappt. Dazu kommt, dass die Händler, sobald sie am Marktplatz mitspielen wollen, Amazon ein unentgeltliches, unbefristetes, unwiderrufliches, weltweites Nutzungsrecht an ihren Marken gewähren müssen. All das und vieles mehr sind wettbewerbswidrige Geschäftsbedingungen zugunsten von Amazon, daher hat die Bundeswettbewerbsbehörde auch grünes Licht für unsere Beschwerde gegeben und formelle Ermittlungen in allen Anklagepunkten aufgenommen.
Ging es da nicht auch um Konsumentendaten?Das kommt da ja auch noch hinzu. Amazon ist im Besitz von sämtlichen Konsumentendaten, auch jenen der anderen Händler. Daher fordern wir eine Prozessveränderung bei Sperrungen und eine besondere Regulierung von Marktplatzinfrastrukturen, ähnlich wie bei der Telekommunikation, um einen vielfältigen Markt sicherzustellen, was dem Wettbewerb wiederum nur förderlich sein kann. Denn eines ist klar: Jedes Monopol verteuert die Produkte.
Wie sieht der Handelsverband die Causa Karfreiteg?Hier darf aber eines nicht vergessen werden: Die Änderung beim Karfreitag ist weder vom Handel noch von der Bundesregierung angestoßen worden, das war eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes. Die alte Regelung mit dem Karfreitag als Feiertag für Evangelische und Altkatholiken war aus meiner Sicht eine gute und hat nicht umsonst so lange gehalten. Der Europäische Gerichtshof hat jedoch entschieden, dass es diskriminierend sei, wenn nur diese Glaubensgruppen am Karfreitag freibekommen. Diese Klage beim EuGH wurde übrigens von einem Österreicher eingebracht, die Arbeiterkammer hat ihn begleitet, finanziert und unterstützt.Der ursprüngliche Ansatz mit dem halben Feiertag, der nur als „verkaufsoffener Feiertag“ im Arbeitsruhegesetz ausgestaltet hätte werden können, wurde revidiert. Der Handelsverband hat sich hier immer gegen Mehrkosten eingesetzt, was allerdings von manchen „bewusst überhört“ wurde. Die Regierung wollte letztlich die Mehrkosten nicht tragen und hat sich schlussendlich für unseren ursprünglichen Lösungsvorschlag entschieden. Also kein Feiertag am Karfreitag für alle, jeder kann sich aber individuell einen Urlaubstag nehmen.
Herr Will, ich danke für das Gespräch.