CASH: Herr Szuchy, wie hoch ist Ihrer Meinung nach ein vernünftiger Eigenmarkenanteil für einen österreichischen Vollsortimenter?
Erich Szuchy: Ich glaube nicht, dass es darauf eine allgemeingültige Antwort gibt. Es ist auch offenkundig, dass Eigen- und Herstellermarken unterschiedliche Prioritäten und Bedeutungen bei Österreichs Vollsortimentern haben. Bei Billa zum Beispiel haben die Herstellermarken eine andere Bedeutung als bei Mitbewerbern. Unsere Eigenmarken wiederum nehmen stark getrieben von Kundenbedürfnissen und Marken-Stärke die genau passenden Rollen in den diversen Warengruppen ein. Der Eigenmarken-Anteil ist bei uns daher das Ergebnis von Kundenwünschen und -bedürfnissen und kein Primärziel.
Was plant Billa zukünftig in punkto Premium-Sortiment, nachdem ja die Premium-Eigenmarke Billa Corso eingestellt wurde?
Nur das Beste, im wahrsten Sinne des Wortes. Genuss steht hier an erster Stelle. Und wir sind über die reine Planungsphase schon lang hinaus, haben bereits viel umgesetzt. Billa Corso wurde ja bereits erfolgreich von unserem Billa-Festtagssortiment abgelöst. Mit einem sehr guten Kunden-Feedback in der letzten Weihnachts- und Ostersaison. Auf Basis dieser sehr positiven Resonanz unserer Kunden werden wir das Sortiment weiter ausbauen. Mit inhaltlich spannenden, neuen Ansätzen, die wir heuer zu Weihnachten umsetzen werden.
Welche Rolle soll Alnatura zukünftig im Billa-Sortiment spielen?
Welche Rollen Marken spielen, wird letztlich immer von unseren Kunden entschieden. Fakt ist, dass wir mit der erfolgreichen Einführung von Billa Bio, mit Ja! Natürlich, der beliebtesten Bio-Marke Österreichs, und Alnatura für unsere Kunden ein sehr reichhaltiges, diverses Bio-Portfolio anbieten.
Wie ist die Reaktion der Industrie auf den Wegfall der Warengruppen-Rabatte bei Billa ausgefallen?
Die Reaktion war gut, es fällt mir tatsächlich kein negativer oder kritischer Kommentar ein. Noch wichtiger ist aber natürlich, was unsere Kunden zu unserer neuen übersichtlicheren Preis- und Aktionspolitik sagen. Und das ist erfreulich, da sind wir auf einem guten Weg. Der Wegfall der Warengruppenrabatte war auch nur eine von mehreren Maßnahmen, um für unser Kunden einfacher und verständlicher zu werden. Denn Billa war über die Jahre immer wieder der Innovator in Bezug auf Preistools und wurde unzählige Male kopiert. Am Ende haben wir viele gute Tools gehabt, waren aber zu unübersichtlich. Das haben wir jetzt mit der umfassenden Senkung von Normalpreisen und einfacheren, attraktiven Aktionstools geändert.
Bei der Präsentation von Billa Plus im Jänner 2021 haben Sie gesagt, Sie orten bei der Zusammenarbeit mit der Industrie einige Win-Loose-Situationen und daher werden Sie subventionierte Produkte aus dem Sortiment nehmen. Wie weit sind Sie bei diesem Vorhaben?
Es geht bei diesem Vorhaben nicht darum, Produkte aus dem Sortiment zu nehmen, sondern darum, unsere vielfältigen Leistungen abgegolten zu sehen, z.B. unsere kostenintensive Vollsortimentsleistung. Das ist im Sinne unserer Kunden auch unsere kaufmännische Pflicht als Händler, und unser Recht als Käufer. Bis dato haben wir weder Geschäftsbeziehungen beendet noch uns von Sortimenten getrennt. Wir werden aber den eingeschlagenen Weg fortsetzen und die Art und Weise, wie wir die Zusammenarbeit mit unseren Partnern gestalten und bewerten, weiter verändern. Wir sind dabei immer bemüht, mit unseren Partnern gemeinsame Lösungen zu finden.
Im Billa-Einkauf gibt es ja nun sogenannte Regionalscouts zum Aufspüren regionaler "Schätze". Wie erfolgreich ist man dabei?
Das ist eine junge, engagierte Organisationseinheit, die direkt in den Regionen agiert und einen erfolgreichen Start hingelegt hat. Ich bin sehr zufrieden mit dieser Mannschaft, die unsere Diversität im Einkauf für unsere Kunden erlebbar erweitert - in den umfassenden Sortimenten, die wir hier bereits anbieten und laufend noch erweitern.
Welche Herausforderungen brachte die Coronakrise im Bereich Rohstoffbeschaffung und Qualitätssicherung?
Alle unsere Mitarbeiter waren durch die Coronakrise sehr gefordert, so auch die Produktion. Corona-Erkrankungen und Quarantäne von Mitarbeitern hätten im Produktionssystem den Ausfall von bis zu 25 Prozent der Belegschaft bedeuten können. Unsere Qualitätssicherung hat in diesem Bereich mit konsequenten Tests und umfassenden Hygienemaßnahmen einen hervorragenden Job gemacht und uns vor Ausfällen, wie sie andere Betriebe leider erlebt haben, bewahrt. Die Rohstoff-Beschaffung in der Ausnahmesituation ist uns gemeinsam mit unseren Partnern gut gelungen.
Welche Konsequenzen hätte für Sie die Erkenntnis, dass Produzenten in den Rohstoffländern Kinderarbeit einsetzen/zulassen?
Ultimative! Und wir unternehmen jede Anstrengung, damit dies in unserer Lieferkette nicht vorkommt. Solche Themen sind in der Rewe Group stark verankert, wir sind uns unserer Verantwortung bewusst. Unsere Geschäftstätigkeit muss nachhaltig im Einklang mit Mensch und Umwelt stehen. Wir fühlen uns verpflichtet, Menschenrechte zu stärken und Menschenrechtsverletzungen vorzubeugen. Sowohl für unsere eigenen Geschäftstätigkeiten als auch für unsere globalen Liefer- und Wertschöpfungsketten, basierend auf diversen Standards und Richtlinien, zum Beispiel der UN-Kinderrechtskonvention.
Sie sind für die strategische Weiterentwicklung der Ware Organisation zuständig, welche Schritte planen Sie heuer?
Wir haben im Vorjahr die Aufbauorganisation erfolgreich implementiert, jetzt widmen wir uns intensiv der Ablauforganisation. Der Verbesserung von Prozessen, Systemen und Methoden, aber auch der Neu-Interpretation der Rollenbilder. Es geht dabei immer darum, gleichermaßen effizienter und effektiver zu werden. Und uns zu einer Waren-Organisation zu entwickeln, in der der Kunde, seine Wünsche und Bedürfnisse im Mittelpunkt aller Aktivitäten und Ziele stehen. Das umfasst praktisch alle Bereiche – von der Beschaffung über Category Management bis hin zum Lieferantenmanagement. Wir kommen gut voran, aber natürlich wird uns der Prozess noch längere Zeit begleiten.
Wie bewerten Sie die Entwicklung von Mopro-Ersatzprodukten und Fleisch-Alternativen und wo gehören Sie Ihrer Meinung nach in die Regale?
Wir werten nicht im Sinne pro oder contra Veganismus, Fleisch et cetera, sondern agieren spiegelbildlich zu unseren Kundinnen und Kunden. Es sind stark wachsende Produktbereiche, die sich aus einer Nische heraus immer mehr in Richtung Mainstream entwickeln. Unterschiedlich nach Käufergruppen sind Tierwohl, Umwelt- und Klimaschutz wichtige Treiber dieser Entwicklung - vor allem bei jüngeren Zielgruppen. Die Präsentation in den Regalen wird sich am Kaufentscheidungsbaum orientieren, eine facettenreiche Aufgabe im Category Management. Wir werden hier verschiedene Dinge testen und sehen, was sich bewährt.
Gleichzeitig werden wir für Vielfalt im Angebot unser Engagement bei Milch- oder Fleischprodukten fortsetzen. Wir setzen noch verstärkt auf Tierwohl und forcieren österreichische landwirtschaftliche Produkte. Dass das nicht nur ein Lippenbekenntnis ist, beweisen wir unter anderem dadurch, dass wir die einzigen sind, die 100 Prozent Frischfleisch aus Österreich verkaufen. In dieses Bekenntnis, das auch Huhn und Pute mit den weit strengeren österreichischen Tierhaltungsbestimmungen umfasst, investieren wir für unsere Kunden einen knapp zweistelligen Mio.-Betrag pro Jahr. Und mit Ja! Natürlich begeistern wir schon seit Jahren viele Kunden mit allerhöchsten Tierwohlstandards.
Stichwort Rückverfolgbarkeit, wieviel Information ist Ihrer Meinung nach für den Konsumenten wichtig und wie hat sich das in den vergangenen Jahren (Corona) entwickelt? Besonders in den Bereichen Fleisch, Fisch, Wurst? Wo und wie sollen diese Informationen abrufbar/sichtbar sein?
Den Konsumenten werden heimische Produkte immer wichtiger, das hat sich im Corona-Jahr noch einmal verstärkt. Bei uns ist die Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln schon seit vielen Jahren gelebte Praxis. Und wir bauen die Transparenz vor allem bei sensiblen Rohstoffkomponenten wie Milch und Fleisch laufend weiter aus. Dieses Bekenntnis zu Österreich zeigen wir deutlich bei unseren Eigenmarkenprodukten. Und Stichwort Herkunftskennzeichnung: Wir haben keine Vorbehalte gegen eine solche Verpflichtung – sofern diese praxisorientiert gestaltet, praktisch umsetzbar sowie zeitlich und inhaltlich auf die EU-Leitlinie abgestimmt ist und auch in der Gemeinschaftsverpflegung sowie der Gastronomie Anwendung findet.
Selbst Diskonter fokussieren auf österreichisches Frischfleisch, wieviel Regionalität ist im heimischen Handel noch möglich?
Wenn wir über die Herkunft aus Österreich sprechen, bietet nur Billa 100 Prozent Frischfleisch aus Österreich, einige wenige Spezialitäten ausgenommen. Regionalität ist jetzt eine weitere, nächste Stufe – bei Fleisch und vielen anderen Produkten. Wir glauben schon, dass hier ein zusätzlicher Bedarf besteht. Und gerade auch die von Ihnen angesprochene Corona-Pandemie hat uns allen vor Augen geführt, wie wichtig regionale Lieferketten sind. Langfristig wird der Österreich-Bonus bei Kunden aber nur dann Bestand haben, wenn hinter der Herkunft auch substanziell höhere Standards stehen. Der heimische Geflügelsektor ist hier ein gutes Vorbild und zeigt vor, in welche Richtung es gehen sollte.
Herzlichen Dank für das Interview.