CASH Handelsforum 2020: Der Donnerstagnachmit...
 
Markus Wache, Johannes Brunnbauer

Der Donnerstagnachmittag des 35. CASH Handelsforums, moderiert von Nikolaus Hartig, wartete mit spannenden Vorträgen unter anderem von Matthias Horx, Anke Will und Stefan Bruckbauer auf die Gäste.

Der Nachmittag des 2. Tages am CASH Handelsforum wurde mit einem Kabarett des Duos Paaradox gestartet - powered by tcc. Statt Mittagsschlaf also Mittagsunterhaltung mit Einblicken in das Eheleben von Michael Hufnagl und Gabriele Kuhn. 

Matthias Horx: Die Welt nach Corona - Die Wirtschaft der Zukunft

Den ersten Vortrag hielt anschließend Zukunftsforscher Matthias Horx zum Thema "Die Welt nach Corona - die Wirtschaft der Zukunft", eine Art nachdenkliche Mediation über die Zukunft. Für ihn hat Zukunft immer etwas mit Veränderungen zu tun - und Veränderung kommt durch Herausforderungen. Krisen sind solche Herausforderungen und da Krisen nie vorbei sind, alltäglich sind, wird sich die Welt immer verändern, postuliert Horx. "Die Zukunft ist die menschliche Reaktion auf Krisen!" Ähnlich wie Hengstschläger sieht auch Horx die Zukunft in der Bewegung. Es geht nicht um die Frage, was auf uns zukommt, sondern vielmehr darum, wie wir uns auf die Zukunft zu bewegen können; nicht, wie wird unsere Zukunft, sondern wie machen wir sie.

Markus Wache, Johannes Brunnbauer

Die Krise ermöglicht uns einen anderen Blick auf die Dinge, ein Blick der auch paradox erscheinen kann. So ermöglicht Distanzierung eine neue Nähe. Globalisierung und Lokalität verschmelzen zu einer Lokalisierung, also gleichzeitig global und verwurzelt zu sein, Dialekt und Englisch zu sprechen. Weitere Paare sind Real:Digital, das Bedürfnis nach Digitalisierung und einer analogen Welt, oder Rurbanisierung, eine Verdörflichung der Stadt oder Re:Gnose, der Austausch zwischen innen und außen. "Aus diesen Wechselspielen, aus den Wechselspielen zwischen und der Welt entsteht Zukunft und Bewegung", so Horx.  "Krise ist der Beweis, dass alles neu anfängt."

Anke Will: Der neue Fortschritt darf kein Rückschritt sein

"Wo waren Sie am Montag, dem 16. März 2020?", fragt Anke Will, Leiterin Beauty Business D-A-CH- bei Procter & Gamble, zu Beginn ihres Vortrags per Videoschaltung. Am ersten Tag des Lockdowns saß Will selbst mit ihrer Familie zu Hause und fragte sich, ob sie genügend Vorräte gelagert habe für das, was vielleicht noch kommt. Und genau das war das Ungewöhnliche an der Situation: Man musste das Heft aus der Hand geben, Organisation und Planung waren an der Tagesordnung. "Corona setzte den Fokus anders, von einem auf den anderen Tag. Klopapier und Mund-Nasen-Schutz statt Weltgeschehen", so Will. Die nächste Frage: "Was kommt nach Corona?", beantwortet Will mit einem Zitat von Friedensnobelpreisträger Yunus Muhammad, der die Pandemie mit einem Gleichnis (Tabula Rasa) von einem unbeschriebenen Blatt erklärt. Corona gibt uns die Chance, die Welt neu zu gestalten.

Anke Will, Leiterin Beauty Business D-A-CH bei Procter & Gamble
Johannes Brunnbauer & Markus Wache
Anke Will, Leiterin Beauty Business D-A-CH bei Procter & Gamble
Anke Will würde drei Wörter auf dieses Blatt schreiben, die auch schon vor der Krise bei P&G wichtig waren:

1. Equality (Gleichberechtigtes Zusammenarbeiten)
Durch Corona wurde die Rolle der Frau neu diskutiert. Will selbst war in der Zeit nicht nur Managerin, sondern auch Lehrerin, Reinigungskraft und Köchin. Zum Glück bekam sie Hilfe von ihrer Familie. Bei P&G in Österreich liegt der Frauenanteil bei 75 Prozent und viele haben ähnliches erlebt. "Ich hoffe, dass der Lockdown kein Rückschritt für die Karriere einiger Frauen bedeutet hat. Andererseits hat Homeoffice mehr an Wertschätzung gewonnen. Trotz mehr Flexibilität konnte das Arbeitspensum erledigt werden."

2. Sustainability (Nachhaltiges Wirtschaften)
Dieser Punkt ist Will besonders wichtig: "Wir haben nur eine Welt. Die Zeit sie zu schützen ist jetzt." Hier sieht sie vor allem große Unternehmen in der Verantwortung. Auch Konsumenten sehen das so, denn eine Vielzahl bevorzugt Produkte von nachhaltig urgierenden Unternehmen und suchen auch aktiv danach. P&G setzt sich daher hohe Nachhaltigkeitsziele: Bis Ende der Dekade möchte das Unternehmen klimaneutral sein. 50 Prozent soll dabei mittels Nutzung von Ökostrom und Energieeffizienz erreicht und 50 Prozent sollen ausgeglichen werden. Hier gibt es bereits zahlreiche Kollaborationen mit NGOs.

3. Community (Gemeinsam Verantwortung übernehmen)
"Trotz Social Distancing ist die Gesellschaft enger zusammengerückt. Viele zeigten Solidarität und jeder einzelne ist gefragt, wenn es um mehr Zusammenhalt geht", ist Will überzeugt. Auch hier sieht sie wiederum große Unternehmen in der Verantwortung. P&G realisiert den dritten Punkt beispielsweise mit ihrer Kampagne #wirtun. Gemeinsam mit der Caritas und Bipa werden Mutter-Kind-Häuser unterstützt.

Zum Abschluss kam aus dem Publikum unter anderem die Frage nach den Umsätzen der Produktgruppen in den einzelnen Ländern und ob Schweizer in ihrem Kaufverhalten anders reagierten als Österreicher und Deutsche. Auf genaue Umsatzzahlen konnte Will zwar nicht eingehen, ein spürbarer Effekt sei aber zum Beispiel, dass Schweizer wieder vermehrt in ihrem eigenen Land einkaufen.

Stefan Bruckbauer: Fortschritt oder Rückschritt - Die Weltwirtschaft nach der größten Rezession.

Beendet wurde der Reigen der Referenten in bewährter Weise von Stefan Bruckbauer, Chefökonom der UniCredit Bank Austria. Seinen Ausführungen zufolge dürfte der Lebensmitteleinzelhandel in Österreich jene Branche sein, die von der Coronakrise am wenigsten negativ berührt wird. Demnach prognostiziert man für das Gesamtjahr 2020 ein Plus bei der Wertschöpfung (Gewinne und Löhne, nicht Umsatz) von fünf Prozent. Am härtesten dürfte es 2020 den Bereich Beherbergung/Gastronomie mit einem Wertschöpfungsminus von 30 Prozent treffen. Anhand eines Blicks in die Geschichte zeigte Bruckbauer, dass jede Pandemie einmal zu Ende geht. So dauerte etwa die Spanische Grippe im Jahr 1918 30 Monate, die Hong Kong Grippe 1968 23 Monate und SARS 2002 neun Monate. Ohne genau zu wissen, wie lange die Coronaviruspandemie noch anhalten wird, glaubt Bruckbauer, dass es jedoch noch bis Mitte 2022 dauern wird, bis Österreich wieder das Wirtschaftsniveau des Jahres 2019 erreichen wird.

Stefan Bruckbauer
Markus Wache
Stefan Bruckbauer




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