Die Öffnung des gesamten Handels ist mit zahlreichen neuen Auflagen und Sicherheitsmaßnahmen verbunden - von der Verschärfung ist auch der Lebensmittelhandel nicht ausgenommen. Das sorgt für Unverständnis und bringt einige Händler in eine Zwickmühle. CASH hat nachgefragt.
FFP2-Masken und zwei Meter Abstand sind Maßnahmen, die uns jetzt schon länger beim Einkaufen begleiten. Mit der Öffnung des gesamten Handels am Montag, 8. Februar kommt nun noch eine weitere dazu: pro Kunde müssen nun 20 statt wie bisher 10 Quadratmeter Fläche zur Verfügung stehen. Davon ist auch der Lebensmittelhandel, der als Systemerhalter bereits mehr als krisenerprobt ist und eine wesentliche Rolle in der Bewältigung der Pandemie spielt, nicht ausgenommen, wie anfangs angedeutet. Im Gesundheitsministerium begründet man das mit dem Gleichheitsgrundsatz, nach dem für alle Händler die gleichen Regeln gelten müssen. Für WKÖ und Handelsverband ein Argument, das nicht nachvollziehbar ist. Der LEH habe seit März 2020, aufgrund der Tatsache ein Systemerhalter zu sein, Sonderrechte, wieso jetzt nicht mehr? - stellen sie die unausweichliche Frage. Die neue Regelung umfasst neben dem LEH auch Bäckereien und Fleischhauer. Das könnte weitere Arbeitsplätze kosten. Denn wenn man nur die Hälfte der Kunden bedienen kann, brauche es dementsprechend auch weniger Mitarbeiter im Laden. Außerdem rechnet man mit Schlangen vor den Geschäften. "Das kann niemand wollen!"
Für Nahversorger kaum umsetzbar
Vor allem die kleinen Geschäfte, selbständigen Kaufleute und Nahversorger stellt der Zusatz vor Herausforderungen und sorgt bei Nah&Frisch-Geschäftsführer Hannes Wuchterl für Unmut. "Warum hier eine Verschärfung für den Lebensmittelhandel notwendig sein soll, versteht niemand. Die 10 Quadratmeter pro Kunden haben im Lebensmittelhandel perfekt funktioniert", sagt er und sieht kleine Lebenshändler dadurch in Bedrängnis. "Wenn das so kommt, bleiben kleinen selbstständigen Kaufleuten nur zwei Möglichkeiten. Vorübergehend zusperren oder verordnungswidrige Situationen riskieren. 20 Quadratmeter pro Kunde, das ist nicht machbar!" Sein Appell richtet sich an Bundesminister Rudolf Anschober, hier umzudenken. Nicole Berkmann, Sprecherin Spar, sieht die Sachlage differenziert: "Wir haben das bei unseren Märkten analysiert und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass es in Normalzeiten und an den allermeisten Standorten kein Problem für uns ist." Natürlich könne es vorkommen, dass man an Hochfrequenzstandorten oder auch zu gewissen Stoßzeiten den Einlass ein bisschen beschränken wird müssen. "Aber im Normalfall ist es kein Problem. Wir setzen jetzt auch mehr Kassakräfte ein, um den Kundendurchfluss zu beschleunigen", so Berkmann gegenüber CASH.
„Diese neue 20 Quadratmeter-Regelung ist gerade für kleine Lebensmittelgeschäfte mehr als schwierig umzusetzen“
Gabriele Ströck, Geschäftsführerin Bäckerei Ströck.
Platzprobleme beim Bäcker
Bei den Bäckern bedeutet die neue Regel, dass sich nun wohl kaum mehr als ein Kunde im Geschäft aufhalten kann. Das bestätigt auch Gabriele Ströck, Geschäftsführerin Bäckerei Ströck. "Aufgrund der neuen Verordnung haben wir die Anzahl der Kundinnen und Kunden für jede Filiale nochmals überprüft und gegebenenfalls angepasst. Aber diese neue 20 Quadratmeter-Regelung ist gerade für kleine Lebensmittelgeschäfte mehr als schwierig umzusetzen – bei uns bedeutet das, dass in einigen Filialen zum Beispiel nur ein Kunde im Geschäft sein darf. Mittels Aushänge und Auskunft unseres Verkaufspersonals werden die Kundinnen und Kunden auf die neue Regelung hingewiesen. Weiters gibt es auch Bodenkleber – damit der Zwei-Meter-Abstand auch leicht eingehalten werden kann. Natürlich bieten wir die FFP2-Masken zum Kauf an und bringen diese gerne zum Eingang. Die Kundinnen und Kunden sind mittlerweile das Anstehen vor Geschäften zu ihrer eigenen Sicherheit gewohnt und grundsätzlich sehr diszipliniert. Ist jedoch die Warteschlange zu lang, gehen sie weiter. Das verschärft den Umsatzverlust noch weiter."
Überraschung und Umsatzeinbußen bei Fleischereien
Überrumpelt, aber dennoch gewappnet fühlt man sich im Fleischhandel. Franz Radatz, Geschäftsführer des gleichnamigen Fleisch-Spezialisten, sagt auf CASH-Anfrage: "Wir werden diese Änderung natürlich umsetzen und sollten damit in unseren Märkten im Normalbetrieb kein Problem haben. Unsere Marktleiter sind informiert und werden auch für die Stoßzeiten zum Wochenende darauf vorbereitet sein – Stichwort: Anzahl der Einkaufswagen. Etwas überrascht waren wir von der kurzfristigen Änderung – entgegen anderslautender Ankündigungen im Vorfeld der Verordnung vom Freitag."
Wiesbauer hat den Anforderungen entsprechend in den 'Bistro & Shops' und auch bei den beiden Abholmärkten in den Eingangsbereichen deutliche Hinweisschilder mit der höchst zulässigen Anzahl von Kunden, die sich gleichzeitig im Geschäft aufhalten dürfen, angebracht. Bodenmarkierungen kennzeichnen den 2-Meter-Abstand. "Aufgrund der kleinen Filialflächen ergibt sich die Anzahl der Besucher von selbst. Sollte die Anzahl dennoch überschritten werden, sind unsere Filialmitarbeiter dazu angehalten, die Kunden freundlich darauf aufmerksam zu machen", so Thomas Schmiedbauer, Geschäftsführer Wiesbauer. Allerdings befürchtet er signifikante Umsatzeinbußen. "Für unsere speziell an Verkehrsknotenpunkten positionierten 'Bistro & Shops' bedeutet das, dass vor allem zu Stoßzeiten im Mittagsgeschäft größere Umsatzeinbussen zu befürchten sind, da gerade zu dieser Tageszeit Kunden keine Wartezeiten auf sich nehmen. Zudem kommt noch der fehlende Gastroumsatz aufgrund der seit November 2020 gesperrten Gastrobereiche. Bedauerlicherweise hat sich für unsere 'Bistro & Shops' in Krankenhäusern nichts geändert, da dort weiterhin individuelle, sehr restriktive Besucherregelungen gelten."
Auch Berger hat mit seinen Filialen mit der neuen Verordnung zu kämpfen, wie Claudia Berger von Berger Schinken gegenüber CASH formuliert: "Dadurch wird sich die Frequenz selbstverständlich reduzieren, weil nicht alle Kunden bereit sind zu warten." Dennoch werde man selbstverständlich die Vorgaben der Regierung befolgen. "In unseren Filialen und Abholmärkten wird klar vorgegeben, wie viele Kunden sich gleichzeitig im Geschäft aufhalten dürfen", so Berger weiter. Für sie war es jedoch wichtig, dem Handel generell die Möglichkeit zu geben, wieder öffnen zu können. "Wenn alle die Vorgaben befolgen, sollte sich die Situation trotz geöffneter Geschäfte nicht verschlechtern."
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Kommentar
10 Quadratmeter waren und sind genug
Seit März 2020, dem ersten Lockdown, war der Lebensmittelhandel (sowie Fleischhauer, Bäcker und Tierfuttermärkte) sowie Apotheken und Drogeriemärkte als Systemerhalter stets mit Ausnahmebestimmungen bedacht worden. Jetzt, nach dem dritten Lockdown und einer allgemeinen Handelsöffnung mit Bauchweh, ist plötzlich alles anders: