Handel im Lockdown: Hickhack um Sortimente un...
 
Handel im Lockdown

Hickhack um Sortimente und Entschädigungen

blende12 / pixabay.com
Die Frage, welche Sortimente während des Lockdowns im Lebensmittelhandel verfügbar sein dürfen, wird wohl noch Gerichte beschäftigen.
Die Frage, welche Sortimente während des Lockdowns im Lebensmittelhandel verfügbar sein dürfen, wird wohl noch Gerichte beschäftigen.

Nach der Diskussion, welche Handelsketten welche Warensortimente anbieten oder freiwillig beschränken, kommen nun der rechtliche Aspekt und die Frage nach möglichen Entschädigungen dazu.

Es gibt einen Absatz in der Covid-19-Notmaßnahmenverordnung, die die Beschränkung des angebotenen Sortiments im Lebensmittelhandel regelt, bei Verstößen soll es Strafen von bis zu 3.600 Euro geben.
„In Mischbetrieben (...) dürfen nur Waren (...) wie Lebensmittel, Sanitärartikel oder Tierfutter angeboten werden, nicht aber Spielzeug, Blumen oder Elektrogeräte.“
COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung vom 1. 11. 2020

Im Wortlaut: "Angesichts der weitgehenden Betretungsverbote (gemäß § 5 Abs. 1) gilt für Mischbetriebe, dass diese nur solche Waren anbieten dürfen, die dem typischen Warensortiment der in Abs. 4 genannten Betriebsstätten entsprechen. Dadurch soll eine unsachliche Privilegierung der vom Betretungsverbot ausgenommenen Mischbetriebe gegenüber den vom Betretungsverbot erfassten Betriebsstätten vermieden werden." Daher dürfen also in Mischbetrieben, die unter die Z 2 (Lebensmittelhandel) fallen, nur Waren im Sinne des Abs. 4 (Anm.: etwa zum Erwerb von Lebensmitteln, Sanitärartikeln, Tierfutter) angeboten werden, nicht aber Spielzeug, Blumen oder Elektrogeräte.
Damit stehen auch für Spar, Hofer und Lidl Strafen im Raum, da sich diese Händler im Gegensatz zu Rewe gegen eine Sortimentsbeschränkung während des Lockdowns entschieden haben. (cash.at berichtete).

In den Filialen von Billa, Merkur (im Bild) und Penny wurden "atypische" Sortimente verklebt, "Solidaritäts"-Erklärungen waren für die Kunden deutlich ersichtlich.
CASH / N.Nikolic
In den Filialen von Billa, Merkur (im Bild) und Penny wurden "atypische" Sortimente verklebt, "Solidaritäts"-Erklärungen waren für die Kunden deutlich ersichtlich.
Im Ö1 Mittagsjournal nahm Nicole Berkmann, Unternehmenssprecherin von Spar, ausführlich Stellung: "Die Situation ist eine völlig andere als im Frühling", sagt sie dort, denn Händler würden einen Teil des Umsatzes vom Staat refundiert bekommen, den sie normalerweise in der Zeit machen würden. "Bei uns wäre es so, wenn man unsere Sortimente beschränken würde, dass wir keine Entschädigung erhalten", das wäre verfassungswidrig, so Berkmann gegenüber dem ORF.
„Bei uns wäre es so, wenn man unsere Sortimente beschränken würde, dass wir keine Entschädigung erhalten.“
Nicole Berkmann, Unternehmenssprecherin Spar

Ministerium und WKÖ plädieren für Fairness

Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck richtete sich ebenfalls via ORF an die Fairness der Supermarktketten, diese mögen ihr Sortiment während des Lockdowns einschränken. "Kunden und Kundinnen merken sich, wie sich Unternehmen jetzt verhalten", sagte sie. Bei vielen Produkten könne man mit der Beschaffung durchaus warten und diese in drei Wochen kaufen, so Schramböck weiter.
Indes warnt der Handelsobmann der WKÖ, Rainer Trefelik, vor einem Streit unter Handelsunternehmen, denn so etwas "könne man aktuell wirklich nicht brauchen", er rät zu Solidarität.
Doch gestaltet sich sie Sache nicht einfach: der Einschätzung von Spar, dass der Verordnungsgeber mit der Regelung auch wettbewerbsrechtlich eingreifen und damit viele Fragen aufwerfen würde, räumte auch Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk auf Anfrage von orf.at Gewicht ein. Zudem stelle sich die Frage, was genau mit „typischem“ Sortiment gemeint sei. Hier eine „definitive Klärung“ vorzunehmen, sei schwierig und könnte sich ziehen, so Funk.

Entschädigungen als Zankapfel

Während den Gastronomen und Hoteliers von der Regierung bis zu 80 Prozent Umsatzentschädigung (Basis ist der Umsatz des Vorjahreszeitraumes) versprochen wird, sind es für geschlossene Handelsbetriebe nur zwischen 20 und 60 Prozent. Grund genug für den Chef des Handelsverbands, Rainer Will, Ungerechtigkeit zu orten. "Kein Verständnis haben wir für die Ankündigung, den krisengebeutelten Händlern keine Sicherheit beim Umsatzersatz zu geben und eine Range zwischen 20, 40 oder 60 Prozent während des Lockdowns anzukündigen", poltert Will in einer der zahlreichen Aussendungen des Handelsverbandes. Alle anderen direkt betroffenen Branchen wie die Gastronomie und der Tourismus werden mit 80 Prozent entschädigt, "genau das erwartet sich auch der Handel in einer Phase, in der er wichtige Mehrumsätze hin zum Weihnachtsgeschäft erzielen müsste." Gerade jetzt, wo das Weihnachtsgeschäft richtig anläuft und die doppelten Gehälter (Weihnachtsgeld) sowie hohe Mieten anstehen würden, brauchen die Betriebe rasche Unterstützung, um die 490.000 Arbeitsplätze im Non-Food Handel abzusichern, erläutert er weiter.
Zur Erklärung: Aufgrund unterschiedlicher Voraussetzungen wie Gewinnspannen, verderbliche Güter, Wiederverkauf oder Nachholeffekten wird der Handel differenziert betrachtet: Ausgehend von einer 40-Prozent-Basis soll es Aufstufungen bis zu 60 Prozent für Bereiche mit verderblicher und stark saisonal bedingter Ware sowie Abstufungen für jene Bereiche, wo die Waren kaum Wertminderungen unterliegen. Einige Handelsunternehmen haben laut dem Handelsverband bereits angekündigt, Klagen beim Verfassungsgerichtshof zu erwägen.
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