Kommentar: Wunschzettel nicht gelesen
 
Kommentar

Wunschzettel nicht gelesen

Manstein Verlag / Sabine Klimpt

Darauf haben Handel und Konsumenten gewartet: nach dem einkaufsintensiven Black-Friday-Wochenende startet auch die WKÖ gemeinsam mit dem Digitalministerium die Plattform Kaufhaus Österreich. Das Christkind hatte aber wohl keine Zeit, die vielen Wunschzettel des heimischen Handels zu lesen.

Dabei stand da doch klar und deutlich, was dieses Projekt bitte erfüllen sollte, wenn Österreichs Branchen- und Interessensvertretung Geld und Know-how bündelt und an alle gerecht verteilt. Unternehmer wollten eine zentrale Plattform, die auch weniger digitalisierten Händlern die Chance auf einen Online-Shop gibt, regionale Händler sollten dadurch auch ohne Google-Hilfe gefunden werden und es sollte eine zusätzliche Absatzmöglichkeit für das gerade in Corona-Zeiten intensivierte Bedürfnis der Konsumenten nach "mehr heimische Alternativen", wohl auch zu Amazon, sein.

Auch die vom anderen Wirtschaftsufer, die Konsumenten, hatten zahlreiche Wünsche für die Online-Plattform parat, die bereits im Mai angekündigt wurde. Man möge doch bequem und einfach österreichische Produkte kaufen können. Wohl wolle man sich fühlen, wenn man nicht in den Shop ums Eck tackelt, der zweimal heuer schon eh nicht offen hat, sondern abends am Sofa kauflustig in den Bildschirm giert. Inspiration für Weihnachten suchen, auf Neues stoßen, sich Wege ersparen. Dann kam die Bescherung, just nach dem shoppingintensiven Black-Friday-Cyber-Monday-Wochenende, das für einen Launch der Plattform noch besser gepasst hätte. Und dann?

Kein Shoppen auf der Homepage, es gleicht einer Auflistung einiger bereits vorhandener Webshops. Die Produktsuche wurde offensichtlich nicht vorher getestet: sie führt entweder ins Leere, in die Irre, oder zu Amazon. Wer ein exotisches Weihnachtsprodukt wie iPhone eingibt, findet exakt einen Vorschlag: Doch kein Elektronikgeschäft, kein Handy-Shop wird vorgeschlagen. Auch passen die vorgeschlagenen Shops nicht zu den eingegebenen Produkten. Einige Händler verweisen in ihren Shops sogar direkt zu Amazon. Was lief hier schief?

Traurige Ergebnisliste für "exotische" Suchanfrage auf Kaufhaus Österreich.

Welchen Anteil wird das Kaufhaus Österreich an den insgesamt mehr als sieben Milliarden Euro verzeichnen, die jährlich hierzulande online umgesetzt werden? Schon bisher landet nur ein Minianteil davon in den Kassen der heimischen Händler. Dabei gebe es so viele Beispiele, von denen man sich etwas abschauen könnte. Sieht man von den kundenfreundlichen und an Handlungsschritten armen Services von Amazon oder auch Instagram mit seinen Shop Tabs ab. Haben Sie schon einmal beim Schokoladengott Zotter eingekauft? Beim ehemaligen Katalogriesen Universal? Bei der österreichischen Markenplattform Lieblingsbrand? Bei den beiden Lebensmittelshops gurkerl.at oder Markta? Beim Gewand- und Spielzeugmulti Kastner+Öhler? Beim Sportshop aus der Ramsau Ski-willy? Beim Schuhspezialisten Humanic? Beim Großhändler Metro, der sich einen Webshopprogrammierer von Amazon holte? Bei der genialen Tiroler Wagnerschen Buchhandlung? Die Buchautorin Nunu Kaller hat als One-Woman-Show im ersten Lockdown heimische Webshops auf ihrer Seite gesammelt, um Konsumenten und Produzenten Österreichs zusammenzubringen. Sogar Margarete Gumprecht, WKW-Handelsspartenobfrau lobte im CASH-Gespräch diese Website als beispielgebend. Das Wissen, die Technik und das dringende Bedürfnis sind also überbordend vorhanden. 

„Online-Shoppen muss so einfach sein, wie bei Amazon. Sonst bleibt man beim gewohnten Riesen. American Santa statt heimisches Christkind.“
Margaretha Jurik

Die Website Kaufhaus Österreich ist ein feiner Blog für Unternehmer, die sich dort Tipps zur Digitalisierung und zur Online-Kundenansprache holen können. Doch der wahre Wunsch, ein anständiger, attraktiver und einfacher österreichischer Digitalmarktplatz für heimische Händler, wurde offensichtlich auf dem Wunschzettel überlesen. Facebook-CEO Tino Krause sagte bereits im Interview mit CASH: "Die Kunden haben sich an das Online-Shopping gewöhnt", doch sie haben es bei den Großen gelernt. Also muss es auch so einfach sein, wie schnell mal ums Eck im Geschäft ein paar Kerzen kaufen gehen. Oder auf den "Jetzt Kaufen"-Button bei Amazon zu klicken. Sonst bleibt man beim gewohnten Riesen. American Santa statt heimisches Christkind.

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