Immer mehr Unternehmen stellen aus Protest gegen den Umgang von Facebook mit Hasskommentaren ihre Werbeaktivitäten auf der Plattform ein.
Eine der ersten Marken, die ankündigte Werbung auf Facebook zu stoppen, ist die US-amerikanische Kult-Eismarke Ben&Jerry’s. Ein Schritt, der vielleicht angesichts der Hippie-Historie der Brand wenig überraschend kam, allerdings ziehen nun auch multinationale-Konzerne nach, darunter Honda, Levi Strauss, Coca-Cola, der US-amerikanische Süßwaren-Erzeuger Hershey’s und auch Ben&Jerry’s-Mutter Unilever.
Im letzten Jahr gab Unilever 42,4 Millionen US-Dollar für Werbung auf Facebook aus. Der Konsumgüterriese , der eines der größten Werbebudgets weltweit hat, gab vergangene Woche bekannt, alle Werbeaktivitäten auf Facebook, Instagram und Twitter bis Jahresende auszusetzen, da es sich hierbei um einen „für die Wahl sensiblen Zeitraum“ handle. Weitere Werbung auf diesen Plattformen würde keinen Mehrwert für Konsumenten und Gesellschaft bieten.
Coca-Cola stellt mit einem 22,1-Millionen Werbevolumen auf Facebook ein weiteres Schwergewicht. Auch der Getränkehersteller aus Atlanta kündigte nun einen mindestens 30-tägigen Werbestopp auf der Plattform an. CEO James Quincey sagte in einem Statement, dass das Unternehmen die Zeit dafür nutzen würde, seine Werbestandards und –strategien zu überdenken. Von den Social Media-Werbepartnern erwarte man „mehr Verantwortungsbewusstsein und Transparenz“. Allerdings legt das Unternehmen Wert auf die Feststellung, dass man sich nicht offiziell dem Facebook-Boykott angeschlossen habe.
Update 1.7.2020
Auch Henkel schließt sich dem Werbeboykott gegen Facebook an. Laut eines Henkel-Sprechers, werde das Düsseldorfer Unternehmen mit all seinen Marken auf Anzeigen bei dem Sozialen Netzwerk verzichten.
Ebenfalls auf seine Werbung auf Facebook, Instagram und Twitter verzichten möchte Unilever und zwar gleich für den Rest des Jahres. Wie orf.at berichtete, kündigte Facebook inzwischen einen neuen Umgang mit Inhalten an, die gegen die Regeln des Sozialen Netzwerkes verstoßen. Fals alle Erlöse von Facebook stammen aus dem Anzeigengeschäft.
Experten sind sich zudem sicher, dass der Werbe-Boykott auf die USA beschränkt bleiben wird: „Rund um die ausufernde Polizeigewalt in den Vereinigten Staaten hat sich eine wirkliche Brand-Safety-Katastrophe offenbart,“ so Eugen Schmidt, Leiter des Online-Vermarkterkreis (Interessenvertretung der österreichischen Digitalvermarkter und -Publisher im Rahmen des iab austria). „Wie sollen Unternehmen einem Umfeld vertrauen, das bewusst Hassnachrichten und Falschmeldungen billigt, um die Reichweite zu steigern? Die US-Digitalgiganten befinden sich in einem enormen Interessenkonflikt, dessen Lösung nicht in Sicht ist!“ Allerdings ist er überzeugt, dass Vergleichbares auf österreichischen und europäischen Publisher-Portalen nicht passieren könne: „Die hohen Ansprüche der Medien an Qualitätsjournalismus, die Eigenverantwortung der Journalisten sowie die gesetzlichen und moralischen Rahmenbedingungen lassen es nicht zu, dass mit blankem Hass gute Geschäfte gemacht werden.“ Investitionen in die sozialen Medien der US-Digitalgiganten ermöglichten erst ein Biotop, in dem Diskriminierung, Rassenfeindlichkeit und Fake News gedeihen können. Zudem warnt Schmidt vor falschen Sperrlisten, die wiederum zu Diskriminierungen führen könnten, etwa indem sie ganze Themenfelder blockieren: „Brand Safety ist absolut wichtig und richtig. Die Entscheidung, was sicher ist, muss auf nationaler Ebene und mit Kenntnis des Marktes und der Nachrichtenlage getroffen werden. Der Ausschluss ganzer Themenkreise wie beispielsweise der LGBTIQ-Community kann den exakt gegenteiligen Effekt einer gut geplanten Kampagne bewirken“, warnt Schmidt. „Und auch die beste Sperrliste und das beste Brand-Safety-Tool sollten nur mit Augenmaß und Hausverstand genutzt werden!“ Er rät daher zu Zusammenarbeit mit nationalen Partnern: „Anstand und gesellschaftliche Verantwortung werden durch die Konsumentinnen und Konsumenten aktiv von Marken eingefordert. Das Wertekonstrukt und die Haltung einer Marke lassen sich leicht am Werbeverhalten ablesen, wodurch sich relevante Auswirkungen auf das Geschäft ergeben.“
Informationen auf https://www.iab-austria.at/ag-ovk.