Industriellenvereinigung: Pandemie aus ökonom...
 
Industriellenvereinigung

Pandemie aus ökonomischer Sicht beendet

IV/Michalski
Christoph Neumayer, Generalsekretär Industriellenvereinigung
Christoph Neumayer, Generalsekretär Industriellenvereinigung

Während des laufenden dritten Quartals wird die österreichische Volkswirtschaft im Schnitt wieder ihr Vor-Pandemie-Niveau erreichen, prognostiziert Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), am Dienstag.

"Aus epidemiologischer Perspektive betrachtet, ist die Covid-19-Gesundheitskrise zwar noch längst nicht Geschichte, ökonomisch gesehen hingegen sehr wohl", analysiert Neumayer die jüngsten Entwicklungen der heimischen Wirtschaft. Die IV rechnet heuer mit einem BIP-Wachstum von 3,5 bis 4 Prozent.

Das reale Wachstum der Weltwirtschaft betrage sechs Prozent im Jahr 2021 und ist somit die stärkste Expansion innerhalb von fünf Dekaden. Dass die globale Erholung hauptsächlich von den USA und China getragen werden (etwa 50 %), sieht der Generalsekretär allerdings besorgt, denn es zeigt auch, dass Europa seine dominante Position an China verloren habe. Der Einfluss Chinas auf Rohstoffe und Preise hat Europa zusätzlich belastet. "Das ist für uns eine neue Position, die uns aber noch weiter begleiten wird." Die EU hat zum Vergleich lediglich 14 Prozent zum globalen Wachstum beigetragen.

Arbeitslosenquote bildet sich zurück

"Die Weltwirtschaft befindet sich inmitten einer Boom-Phase mit den üblichen Folgeerscheinungen, positiv wie negativ", sagt IV-Chefökonom Christian Helmenstein, der mit Neumayer die Konjunkturumfrage vorstellte. Helmenstein betont, dass der Plafond der konjunkturellen Erholungsphase bereits in den Sommermonaten vorbei sei. Das liege an den Engpässen bei der Verfügbarkeit bestimmter Vorprodukte, insbesondere Halbleitern und Chips. Allerdings entspannt sich dafür der Markt für Baumaterialien wie Schnittholz und Kupfer allmählich. Fürs Winterhalbjahr ist in weiterer Folge eine zyklustypische Abschwächung der Aufwärtsdynamik zu erwarten.

Erfreut zeigt er sich, dass sich die Arbeitslosenquote im OECD-Raum heuer bereits wieder auf Vorkrisenniveau, ähnlich wie zwischen 2013 und 2019, zurückbilden wird. Die Defizite der öffentlichen Haushalte werden 2022 um rund 4 Prozent niedriger als dieses Jahr sein, allerdings sind sie mit durchschnittlich sechs Prozent der Wirtschaftsleistung immer noch doppelt so hoch als vor der Krise, "obwohl die Inflation nicht zuletzt durch die steigenden Rohstoff- und Vorproduktionspreise gegenüber dem Durchschnitt der Vorkrisenperiode 2013-2019 um einen Dreiviertelprozentpunkt anzieht", so Helmenstein.

Über 40 Prozent der Industriebetriebe wollen laut dem IV-Konjunkturbarometer außerdem Menschen einstellen. Gleichzeitig wird aber auch der Fachkräftemangel immer größer. Ob die geplanten Anstellungen deshalb wirklich realisiert werden können, ist für Helmenstein die große Frage. Er plädiert deshalb dafür, die horizontale Mobilität zwischen den Branchen zu steigern. Sprich, Arbeitskräfte müssen aus den unterschiedlichen Branchen mit Problemen leichter wechseln können. "Es braucht eine umfassende Arbeitsmarktstrategie mit drei Säulen", konkretisiert Neumayer. Es gehe um Aus- und Weiterbildung, eine Erweiterung der Erwerbsbeteiligung vor allem von Frauen und älteren Bevölkerungsschichten und qualifizierte Zuwanderung. "Alte Hüte" hingegen "wie die Viertagewoche müssen in der Hutablage bleiben", so der Industrie-Vertreter. "Eine Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich verteuert den Faktor Arbeit." Zudem würden Beschäftigte belastet und keine neuen Jobs geschaffen. "Wenn ein Programmierer weniger arbeitet, wird kein Hilfsarbeiter einen Job bekommen", sagte Neumayer.

Weiter von der Krise betroffene Branchen sind laut IV der Luftfahrtsektor mit allen Bereichen die an diesem hängen, die Freizeit- und Unterhaltungswirtschaft, Lebensmittelindustrie mit Brauereien und die Gastronomie beziehungsweise Teile des Tourismus. Zum Teil sind schon Arbeitskräfte aus dem Tourismus in die Industrie abgewandert, die mit einem höheren Lohnniveau und für viele angenehmeren Arbeitszeiten winkt.

Kritik am Klimapaket

"Jetzt braucht es stabile Rahmenbedingungen für Unternehmen und ihre Beschäftigten, um das Wachstum in Österreich und den Aufbau von Arbeitsplätzen nachhaltig zu stärken", sagt Neumayer und kritisiert dabei den Baustopp der Linzer Autobahn A26 sowie der Wiener Außenringschnellstraße, der zehntausende Arbeitsplätze gefährde. Auch das EU-Klimapaket fit-for-55, das letzte Woche vorgestellt wurde, stelle massive Herausforderungen dar. "Die österreichische Industrie ist Ermöglicher der Klimatransformation. Solange aber bei den klimapolitischen Anstrengungen weiterhin keine gleichen Wettbewerbsbedingungen herrschen, erfordert das höhere 2030 EU-Treibhausgasziel einen ausreichenden Abwanderungs- und Verlagerungsschutz (Carbon-Leakage-Schutz) und die Vermeidung von Mehrbelastungen für Schlüsselindustriezweige", betonte Neumayer, der im Verkehrsbereich zudem für Technologieoffenheit statt Verbote plädierte.
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