Kommentar: Tierwohl kann/darf/muss ...
 
Kommentar

Tierwohl kann/darf/muss ...

Manstein Verlag / Sabine Klimpt

Der größte Stolperstein für das Tierwohl ist die schwammige Definition. So kann aus durchaus vorbildhaften Initiativen nur noch ein Gütesiegel werden, welches die Kunden schlimmstenfalls ignorieren.

Es ist fast egal, über welchen Bereich die CASH-Redaktion in den vergangenen Jahren berichtet hat, irgendwann kam der Begriff "Convenience" vor. Warum hier ein Anglizismus verwendet wird, zeigt sich bei der Übersetzung ins Deutsche schnell: Hier stehen etwa das meist bevorzugte "Annehmlichkeit" oder das doch negativ behaftete "Bequemlichkeit" zur Auswahl. Obwohl marketingtechnisch ersteres die bessere Option wäre, lässt sich eine gewisse Bequemlichkeit bei selbst den engagiertesten Kunden nicht abstreiten, wenn es um die Ernährung geht. Sicher gibt es ein steigendes Bewusstsein für Qualität und Herkunft, besonders wenn es ums Fleisch geht - ansonsten würde der Bio-Bereich nicht seit Jahren wachsen. Doch selbst mit diesem Aspekt im Hinterkopf gehen die wenigsten Kunden in die Filialen und vergleichen wirklich jedes Produkt einer Kategorie, um eine qualifizierte Kaufentscheidung zu treffen. Hier kommen die Markenversprechen ins Spiel, die von den Herstellern jedoch gerne durch Extras wie Gütesiegel ergänzt werden. Und damit wären wir beim Thema "Tierwohl" und dessen Kommunikation angelangt: Dieses wird nämlich von vielen Anbietern auf unterschiedliche Art angepriesen. Da hinter dem Schlagwort allerdings noch keine genauen Regulationen stehen und jeder Hersteller das Tierwohl daher für sich selbst definieren muss, entsteht eine etwas undurchsichtige Markenlandschaft. Prinzipiell geht zwar alles in dieselbe Richtung, dabei werden aber viele unterschiedliche Wege beschritten.

Kommt Ihnen das irgendwie bekannt vor? Ein Blick zurück in die FMCG-Geschichte zeigt eine ähnliche Entwicklung im Bio-Segment. Das war auch der "wilde Bio-Westen", bevor gesetzliche Standards eine vergleichbare Landschaft entwickelt haben. Bis das auch beim Tierwohl der Fall ist, müssen sich die an dem Thema beteiligten Stakeholder noch auf die Rahmenbedingungen einigen. Genau hier wird es schwierig, denn obwohl die Devise "Tierwohl" lautet, gilt das eigentliche Interesse nicht immer diesem. Wer den Ton angibt, wird auch Einfluss auf wirtschaftliche Entwicklungen haben. Dabei entsteht ein Spannungsfeld zwischen ethischen Grundsätzen (Wie werden Tiere richtig gehalten?) und marktwirtschaftlichen Zielen (Wie erwirtschafte ich Gewinne durch die Tierhaltung?). Es wird also spannend, wenn die Teilnehmer der Wertschöpfungskette zeigen, aus welchem Holz sie geschnitzt sind und ob sich beide Ziele vereinen lassen.

Jeder Teilnehmer entlang der Tierwohl-Wertschöpfungskette wird sich noch einige Jahre lang fragen müssen, wie der Begriff genau definiert wird. Natürlich bietet etwa die AMA ein entsprechendes Zertifizierungsprogramm an, doch auch das ist trotz des ambitionierten Maßnahmenkatalogs nicht der Weisheit letzter Schluss. Obwohl viele Schritte darin absolut essenziell für die Entwicklung der gesamten Fleischindustrie sind, wird darin auf die breite Masse der Tiermastbetriebe eingegangen. Einzelne Betriebe können hier wesentlich mehr machen und schneller agieren - wenn der Wille und die Rahmenbedingungen dazu gegeben sind.

Also - was kann Tierwohl? Wertschöpfung in Österreich halten und Tieren ein würdiges Leben geben, bei dem sie bestenfalls einen schlechten Tag haben. Was darf Tierwohl? Über die gängigen Standards hinaus schauen und dem Mastvieh mehr geben, als das verlangte Minimum. Und was muss Tierwohl? Einen einheitlichen Nenner finden und für Konsumenten verständlich sein. Nichts davon ist einfach, aber alles trägt zur langfristigen Verbesserung der heimischen Konsumlandschaft bei. 

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