Die Vereinigung Österreichischer Milchverarbeiter (VÖM) zieht Bilanz über herausfordernde 12 Monate.
VÖM-Präsident Helmut Petschar blickte heute, Freitag, im Rahmen einer Online-Pressekonferenz auf ein schwieriges Jahr mit zahlreichen Aufs und Abs für die österreichische Milchwirtschaft zurück und resümiert: "Das Jahr 2020 hat die heimische Milchwirtschaft vor große Herausforderungen gestellt, der zweite Lockdown mit der verlängerten Schließung der Gastronomie über die umsatzstarke Weihnachtszeit bringt neuerlich Umsatzausfälle, die nur durch verstärkte Anstrengungen und in Zusammenarbeit von Landwirten, Verarbeiter, Handel und Politik gut bewältigt werden können."
Die Covid-19-Pandemie stellte die österreichischen Milchbauern und Milchverarbeitungsbetriebe heuer vor große Herausforderungen. Die Schließung von Gastronomie und Hotellerie beziehungsweise des Großhandels sowie darüber hinaus eine schwache Sommer- und nun auch Wintersaison, setzen vor allem den Molkereibetrieben in Westösterreich stark zu. Viele von ihnen erwirtschaften normalerweise zwischen 30 und 50 Prozent ihres Gesamtumsatzes über diese Vertriebsschienen. Ihr abrupter Wegfall sorgte für hohe Umsatzeinbußen. In mehreren Molkereien waren daher Mengensteuerungsmaßnahmen notwendig. Da man Milchkühe schwer in Kurzarbeit schicken kann, musste die Produktion weiterhin aufrechterhalten werden. Um das Ansteckungsrisiko für die Mitarbeiter zu minimieren, wurden vielerorts 24-Stunden-Schichtbetriebe eingeführt, die selbstredend für einen nicht unerheblichen Mehraufwand gesorgt haben. "Es ist daher nicht verständlich, dass derartige Zulieferer keine Unterstützung für die Ausfälle erhalten", sagt Petschar.
Die Marktentwicklung des Jahres 2020 war ihm zufolge aufgrund der einzigartigen Situation von hohen Spannungen und Unsicherheiten geprägt. Zu Beginn des Jahres machten die Milchbauern mit Protesten vor den Filialen des LEH erfolgreich auf sich und ihre Forderungen aufmerksam. "Gleich darauf brachte der erste Lockdown eine schlagartige, massive Verschiebung der Absatzkanäle. Das Auf und Ab auf den Produktmärkten führte ab Sommer zu einer gewissen Stabilisierung der Märkte und zu einer Verbesserung der Auszahlungspreise für die heimischen Landwirte, die ebenfalls mit Mehrkosten zu kämpfen haben", betont der Kärntnermilch-Geschäftsführer.
Zusammenarbeit mit dem Handel
Wer diese Mehrkosten letzten Endes tragen wird, darüber wird gerade verhandelt. "Die Mehrkosten, die in den Verarbeitungsbetrieben angefallen sind, müssen auch abgegolten werden, wir sind bereits in Abstimmung mit den Handelspartnern und werden bald auch sehen, wie verständnisvoll diese sind und ob sie das auch akzeptieren". Petschar fordert den Handel außerdem dazu auf, gerade in Zeiten wie diesen die "Niedrigpreispolitik für hochwertige Lebensmittel hinten anzustellen".
Näheres zu den Forderungen der VÖM siehe Kasten "Maßnahmenpaket". Die durchschnittlich erzielten Auszahlungspreise lagen im aufgelaufenen Jahr (von Jänner bis Oktober) bei 34,55 Cent pro Kilogramm für gentechnikfreie Qualitätsmilch, mit natürlichen Inhaltsstoffen, ohne Zuschläge und ohne Mehrwertsteuer. 2019 waren es noch 34,36 Cent je Kilo. Die Werte konnten ab Sommer verbessert werden und lagen im Oktober bei 36,72 Cent je Kilogramm (Vergleichszeitraum 2019: 33,83 Cent/kg). Die in Österreich erzielten Werte liegen aufgrund der höheren Qualitätsstandards über dem EU-Durchschnitt.
Die Forderungen der VÖM: Maßnahmenpaket
- Absicherung und Weiterentwicklung der naturnahen österreichischen Milchwirtschaft in der gemeinsamen Agrarpolitik der EU und in den nationalen Programmen, besonders in Berg- und benachteiligten Gebieten, Abgeltung von naturbedingten erhöhten Erfassungskosten, Investitionsschwerpunkte zur weiteren Verbesserung des Tierwohls
- Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und Unterstützung der Qualitätsstrategie, machbare Standards im Biobereich, Unterstützung des Produktions- und Verarbeitungsstandortes Österreich, Vermeidung von zusätzlichen Kostenbelastungen und Auflagen
- Verpflichtende Herkunftskennzeichnung und Schaffung der rechtlichen Voraussetzungen, damit der Konsument eine fundierte Entscheidung über unterschiedliche mit der Herkunft verbundene Qualitäten treffen kann
- Mehr Transparenz und gerechtere Verteilung der Wertschöpfung entlang der Lebensmittelkette, wirksame Maßnahmen zur Beseitigung von strukturellen Wettbewerbsnachteilen für Erzeuger und Verarbeiter, Maßnahmen zur Eindämmung von Eigenmarken, Umsetzung der EU Richtlinie gegen unlautere Handelspraktiken
- Weiterentwicklung der AMA Marketing als wertvolles Unterstützungsinstrument für die Qualitätspolitik und Vermarktung, Unterstützung im Export, solidarische Finanzierung durch alle teilnehmenden Sektoren, Fokussierung der Tätigkeiten auf beitragszahlende Sektoren, bessere strukturelle Einbindung der teilnehmenden Sektoren
- Vermeidung von überzogenen, kostentreibenden, ineffizienten und unpraktikablen Vorgaben im Umwelt- und Verpackungsbereich, z. B. keine überhöhten Mehrwegquoten und kein Pfand auf Einwegverpackungen im Milchbereich